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@ | Mario Romano | 2014 : erschienen September 2014 für den Kunden Sputnik Informatik GmbH

Frankenstein’s Erbe (Auszug aus dem Roman)

kapitel : BRUDER

Hawkins setzte sich für einen Moment in einen eleganten Sessel seines eher schmucklosen digitalen Konferenzraumes.
Seit sein Bruder Michael vor neun Jahren bei einer Expedition in der Arktis die Leiche des Wesens entdeckt hatte, war sein Leben ein einziger Wahnsinn. Aber ein herrlicher Wahnsinn. Aufregend wie nichts auf der Welt. Als ehemaliger Professor in der Krebszellenforschung, mit einem Haus auf dem Land inmitten der Grafschaft Sussex, dessen Verwalter er im Geheimen war, zusammen mit seiner Frau Barbra, kinderlos, aber erfolgreich und vermögend, hatte er niemals daran gedacht, dass aus diesem ruhigen in sich gekehrten Mann ein solch rasender, von Ehrgeiz und Macht zerfressener Mensch werden würde.
Aber Hawkins Leben besass immer einen Grad an Besessenheit. So, wie er in kürzester Zeit zu einem der massgebenden Professoren in Grossbritannien geworden war, mit Auszeichnungen und Ehrungen zuhauf, die seine Gier nach Ergebnissen noch weiter angetrieben hatten. Dass ihn zuerst seine Frau verliess, dann einige Zeit später sich seine beiden besten Freunde warnend ebenfalls von ihm abwandten, hatte ihn nicht erweichen können, seinen Ehrgeiz zu Gunsten einer Spur mehr Menschlichkeit zu bremsen.
Als er und sein Bruder Michael zusammen das Wesen geborgen hatten und Michael in den Augen und Worten seines Bruders eine seltsame Art von Besessenheit aufflackern sah, wollte Michael den Körper wieder in die Tiefe der Arktis stossen. Der Kampf endete tragisch für Michael Hawkins. Beim Zweikampf stürzte er in die eiskalte Tiefe.
Obwohl Richard ein hervorragender Taucher war und an Bord mehrere Tiefseetaucher sofort zur Hilfe gekommen wären, sah er ruhig zu, wie sein Bruder Michael in der Tiefe des Eiswassers versank.
Den Ahnungslosen danach zu spielen und innerhalb einer Zeitspanne von sechs Monaten alle Crewmitglieder umbringen zu lassen, machte Richard Hawkins zum skrupellosesten Mann für den britischen Rüstungskonzern Blackway.
Er unterschied sich in keiner Weise von einem Drogensüchtigen von der Strasse. Der tat auch alles, um an seinen Stoff zu kommen. Hawkins Droge war der Forscherehrgeiz. Dafür war er bereit, alles zu opfern. Er konnte dem eigenen inneren Antrieb des Ehrgeizes nicht widerstehen. Dieses Monster Ehrgeiz, das sich tief in seinem Körper festfrass, forderte ihn immer weiter, frass mehr und mehr. Die Qualen dieses gefrässigen, dunklen Etwas in seiner Brust musste im Aussen seine Nahrung finden, sonst würde es im Inneren von Hawkins auf Nahrungssuche gehen.
Hawkins wusste auch, würde er sich nur eine Sekunde hinsetzen und ernst- und gewissenhaft darüber nachdenken, würde er vermutlich wahnsinnig werden.
Er konnte nicht mehr zurück. Niemand konnte ihn aufhalten. Er war vermutlich mindestens genauso tot wie das Wesen, das er und sein Bruder in der Arktis gefunden hatten.
Jetzt, wo versucht wurde, das Einzige, das ihm noch etwas bedeutete, zu nehmen, jetzt war sein Ehrgeiz von nichts mehr zu stoppen. Im Grunde sollten seine Gegner wissen, dass sie genau das Falsche getan hatten, als sie ihm die Botschaft von der Entführung seiner Tochter gesandt hatten. Sie hatten das Schlimmste aktiviert, was Hawkins ausmachte. Seine Beziehung zu seiner Tochter war im Fundament ohnehin schon voller Zerwürfnisse. Diese Entführung sollte Anna noch weiter von ihm trennen. Und genau das war der entscheidende Fehler seiner Gegner, dass sie ihm das angetan hatten. Den vermutlich letzten Rest an Hoffnung zu zerstören, den Kontakt zu seiner Tochter wieder aufbauen zu können.
Hawkins stand auf, trat an den Controller, drückte ein paar Tasten, ein Bildschirm öffnete sich und nach ein paar Sekunden war ein Blick in ein Schlafzimmer zu sehen, in dem fast deutlich zu erkennen war, dass sich Aida von Bergen freudvollen Gelüsten hingab. Als sie Hawkins Gesicht sah, riss sie augenblicklich ein Leintuch hoch und verdeckte damit ihren nackten Oberkörper und das unter ihr liegende männliche Wesen, auf dem sie rittlings sass.
– Sir!! Bitte!!…können Sie nicht die NotsignalApp benutzen!
– Von Bergen, mir ist egal, was Sie gerade treiben, aber D14 hat gefunden, was wir versucht haben zu finden. Ihre Auswertung war wohl erfolgreich, wie ich sehe. Sie gönnen sich ja eine besondere Pause! Sie wissen was zu tun ist. Und zwar jetzt!
Hawkins drückte eine Taste und der Bildschirm zu Aida von Bergen wurde schwarz.
Drei Sekunden zu früh. Hätte sein Ehrgeiz drei Sekunden Geduld gehabt, hätte er sehen können, wo sein Gegner ihm eine Falle platziert hatte.

 

kapitel : KOPFSCHUSS

Die von Bergen sprang vor Wut auf, nachdem Hawkins ihren Bildschirm schwarz werden liess. Nackt sprang sie vom Bett auf, stürzte ins Ankleidezimmer und schrie laut, fast hysterisch …
– Was glaubt dieser aufgeblasene britische Gockel eigentlich. Ich hasse es, wenn ich beim Sex gestört werde. Das weiss er doch ganz genau. Und wie ich das hasse!
– Aida, reg dich doch nicht auf … klang es aus dem Schlafzimmer …  komm, ich verwöhne dich weiter…Komm, ich kann dich doch so schön beruhigen und dich zum Fliegen bringen…Komm, meine Liebe, flieg.
– Gregory, jetzt nicht, ich bin keine deiner Chickas, die bei deinen Worten gleich brennen. Mach mir einen Kaffee und dann geh bitte.
Ihre Worte klangen plötzlich kalt und distanziert.
Gregory Mitchell, ein Mann Marke Supermodel, gutaussehend, gross, athletisch und von dunkler Hautfarbe, Beruf professioneller Begleiter, Tagespauschale 2000 US-Dollar, bewegte sich langsam, fast katzenhaft aus dem Bett.
Bekannt und gerne gebucht wegen seinen aussergewöhnlichen Finger- und Zungenfertigkeiten. Bei erschöpften und ausgehungerten Geschäftsfrauen, in deren gierigen klassisch empfangenden Position, verursachte sein Anblick einen derartigen zusätzlichen Lustschub, der schon die Hälfte des Preises wert war.
Gregory Mitchell war Inhaber des Escort-Services Aston Martin für Frauen. Er besass Diplome in Psychologie, klassische wie fernöstliche Massagen, sprach sieben Sprachen fliessend, besass einen schwarzen Gürtel in Karate, war spezialisiert im IT-Bereich und Testfahrer bei Williams. Und seit zwei Jahren arbeitete er im CIA-Ausbildungszentrum Camp Peary, genannt The Farm, in Williamsburg im Bundesstaat Virginia. Aston Martin war nur eine Tarnfirma.
Mitchell und seine Jungs waren eine Art spezialisierte, männliche Mata Haris. Im Auftrag von verschiedenen Organisationen und Konzernen machen sie sich an weibliche Führungskräfte, Politikerinnen, Konzernchefinnen und andere wichtige weibliche Wesen heran, die ausgehorcht und manipuliert werden mussten.
Gregory war seit 3 Jahren Aida von Bergens persönlicher Lover. Nach einem Jahr war sie ihm so verfallen, dass sie vieles erzählte, ohne dass er nur eine einzige Frage gestellt hatte. Sie liess sich bei ihm im wahrsten Sinne des Wortes gehen.
– Hey, Aida, du weisst doch, Wut tut deiner schönen Haut nicht gut. Komm, ich massiere dir deine Wut ein bisschen raus.
– Gregory, das war mein Chef…Ich hasse es, wenn er es sich raus nimmt, einfach durch die Eingangstüren zu kommen, ohne zu klopfen, wenn ich mit dir vögle. Zudem ist heute eh mein freier Tag, also kann…Oh verdammt …
Der Aufschrei liess Gregory aufhorchen und er rannte in seiner ganzen Nacktheit ins Ankleidezimmer.
– Was ist, my dear?
Aida sass in der Mitte des Ankleideraums auf der ledernen Bank und starrte Gregory erschrocken an, als dieser reinstürmte.
– Was ist los, Aida?
– Der Code…ich muss den Code aktivieren.
Aida bemerkte in diesem Moment nicht, dass sie Gregory ein elementares Geheimnis preisgab. Dieser war so professionell, dass er sich lächelnd hinstellte und mit einem breiten Grinsen in seinem dunklen schönen Gesicht sagte …
– Ach…ich dachte, es sei was Schlimmeres. Du weisst, dein Wohl ist mir das Wichtigste. Was du beruflich für Probleme hast, ist nicht so mein Business. Verzeih, wenn ich ein bisschen oberflächlich bin, Honey…ich mach dir jetzt einen Kaffee. Dafür bin ich verantwortlich.
Perfekter konnte die Situation für Gregory nicht sein. Sie sah ihn an und sie glaubte ihm jedes Wort. Für sie war er absolut integer. Was sollte er auch schon von einem Code wissen im Zusammenhang mit der Bezeichnung D14.
Mitchell schloss hinter sich die Türe zum Ankleideraum, ging blitzschnell in die Küche, stellte einen Aluminiumwasserkocher extra laut auf den Gasherd. Griff in den Schrank und liess zwei Kaffeetassen beim Herausnehmen ebenfalls gegeneinander scheppern. Alles, um gleichzeitig an der Garderobe in sein Jackett zu greifen, ein Prepaidhandy herauszufischen und eine Zahlenkombination zu drücken.
Dies hatte zur Folge, das irgendwo an einem Ort, in einem Büro, ein Computer innerhalb von Sekunden sämtliche digitalen und telekommunikativen Handlungen von Aidas Computer aufzeichnete.
Danach flitzte er immer noch nackt in die Küche zurück und liess das Geschirr erneut klirren.
Aida kam aus dem Ankleidezimmer. Warf einen Blick auf Gregory. Ansonsten blieb sie stets stehen und genoss wie eine Inhalierende seinen Anblick. Doch dieses Mal war es nur ein Kontrollblick, wo er gerade stand. Der kleine Computertisch mit nichts als einem Notebook und einer Designerlampe darauf, stand so zur Küche gerichtet, dass Gregory nicht erkennen konnte, was sie auf ihrem Notebook eintippte.
Gregory beobachtete sie lächelnd von der Küche aus, so wie es ein Lover nun mal tun musste. Der Frau unentwegt das Gefühl zu geben, es gab nichts Wichtigeres auf der Welt als sie.
Gregory beherrschte ein so ablenkendes Lächeln, dass Aida nicht bemerken konnte, wie er jede Handlung in der dunklen Glasscheibe hinter ihr sehen konnte. Er erblickte eine schwarze Seite. Links ein D, dann eine 1 und eine 4. Und in der Mitte sieben kleine quadratische Felder.
Aida tippte sieben Mal ein. Dann führte sie eine Tastenkombination aus, die das Programm vollkommen schloss. Sein Smartphone musste wohl gerade eben die Kombination gespeichert haben.
Sie klappte den Deckel des Notebooks zu. Langsam kam sie zur grossen Kochablage in der Mitte der Küche. Blieb auf der anderen Seite der Ablage stehen und schaute Gregory an, als würde sie durch ihn hindurch sehen.
– Aida, alles ok?
– Nein Gregory, nichts ist ok.
– Wieso, konntest du deinen Job nicht machen, diesen Code oder was du da tun solltest?
– Doch, den Code habe ich eingegeben. Damit ist etwas in Gang gekommen, das im Grunde heisst, ich muss mir einen neuen Job suchen. Denn das Eingeben dieses Codes bedeutet, der Job ist getan. Das heisst auch, dass ich dieses wunderschöne Appartement aufgeben muss. Es gehört mir leider nicht. Shit.
– Jetzt, wo du den Job los bist, kannst du mir ja erzählen, wofür du gearbeitet hast.
Aida schaute Gregory ein bisschen erstaunt an.
– Du willst wissen, was ich getan habe?…Nach drei Jahren fragst du mich das plötzlich?…Du hast mir immer das Gefühl gegeben, du seiest nie an dem interessiert gewesen, womit ich mir dich leisten kann!
Ihre Stimme klang ein bisschen enttäuscht und gab Gregory ein Zeichen, dass sie nun gerne eine Tasse Kaffee wollte.
Gregory goss Wasser in die beiden Tassen mit Instantcoffee, schob eine Tasse Aida hin, nahm seine und genehmigte sich einen kleinen Schluck.
– Aida…da irrst du dich gewaltig…ich war immer sehr an deiner Arbeit interessiert, auch oft wenn wir nicht zusammen waren.
Gregory sah, dass Aida im Gesicht kreideweiss wurde und in ihren Augen flackerte plötzlich pure Angst. Eine Angst, die lähmen konnte.
Gregory öffnete auf seiner Seite eine Schublade, nahm eine Beretta CO2 mit Schalldämpfer hervor. Ohne nur eine Sekunde zu zögern oder nachzudenken, ohne eine emotionale Regung hob er die Pistole, zielte zwischen ihre Augen und drückte ab.
Aida von Bergen kam nicht mehr zum Nachdenken.
Der Schuss war dumpf und die Kugel drang fein an der Stelle in ihre Stirn, wo manch einer sagen würde, dort befindet sich das dritte Auge.

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